Bierbäuche und Kichererbsen
Von Jürgen W. Niehoff
Bei der Vo-Ti-Fe-La-Karnevalssitzung in Niederhorfelden sorgt nicht nur das
Männerballett für Bombenstimmung
Nicht in Rio, Köln oder Mainz spielten am vergangenen Wochenende die Musik für die
Karnevals-Jecken, sondern im Bürgerhaus in Niederdorfelden. Dort war die bereits
traditionelle „Vo-Ti-Fe-La“-Karnevalssitzung angesagt.
Niederdorfelden.
Das Publikum erwartete „viel Spannung, Erotik und viele Lebensweisheiten, wodurch man
schlauer nach Hause geht, als man gekommen ist“, wie dies Sitzungspräsident Reinhard
Schott zu Beginn ankündigte. Und in der Tat sind die beiden für das kleine Niederdorfelden
großen Karnevalssitzungen Vo-Ti-Fe-La mittlerweile aus dem kulturellen Leben der kleinen
Gemeinde nicht mehr wegzudenken.
Unter dem Motto „Dorfeller Nächte sind lang“ haben die vier verantwortlichen Vereine
Volkschor (Vo), Tischtennis (Ti), Feuerwehr (Fe) und die Landfrauen (La) auch in diesem
Jahr ein buntes Programm zusammengestellt. Doch bevor die Narren wirklich das Sagen
hatten, wurde der Sitzungspräsident noch einmal sehr ernst. Er wiederholte nämlich an dieser
Stelle den Aufruf zur Typisierung für den an Leukämie erkrankten Dorfbewohner Till März
am kommenden Sonntag in Oberdorfelden.
Dann waren die Narren an der Reihe. Den Anfang machten mit Inga Königstein als
Landpomeranze und Vanessa Eberl als dem Girlie aus der Großstadt zwei Teenager, die sehr
drastisch mit unterschiedlichen Blickwinkeln das Stadt- und das Dorfleben auf die Schippe
nahmen. So bezeichnete sich das Mädchen vom Dorf als „naturbelassen“, während sie die
Kleidung des Stadtmädchens so einstufte, dass von den vielen Klunkern im Stall selbst die
Kühe erblinden würden und ihre Frisur sie eher an den Kamm eines Hahns bei dessen
Liebesakt mit seinen Hühnern erinnere als an ein 17-jähriges Mädchen, das Tanzen gehen
möchte.
Das Stadtmädchen empfand dagegen nur Mitleid mit ihrem „naturbelassenen“ Gegenüber:
„Du bist in eurem Dorfzelt sicherlich bei Dicker-Backen-Musik zur Miss Heuhaufen gewählt
worden.“
Pinguine auf der Bühne
Nachdem die beiden trotz ihres jugendlichen Alters die Stimmung schon ganz schön
eingeheizt und auch das Musikduo „Manfred und Waldemar“ auf Bitten des
Sitzungspräsidenten mit Schunkelmusik den gutgefüllten Saal in Bewegung gesetzt hatte, trug
ein bunter Gemüseauflauf von „Kichererbsen“ eine Persiflage auf die Fernsehwerbung vor.
Ob Dosengemüse oder der Herr Kaiser von nebenan mit seiner Versicherung, ob Haarspray,
mit dem man um die Welt reist und immer frischer aussieht oder Damenhygieneartikel, durch
die man bei jeder Sportart eine gute Figur macht, vor nichts schreckten die „Kichererbsen“
zurück und trugen dadurch zu perfekten Karnevalsstimmung im Saal bei.
Das tat anschließend gekonnt auch die Gangsterbraut Claudie. Sie berichtete aus ihrem
Gangsterleben, in dem ihr bereits die zweifelhafte Ehre zuteilwurde, im Knast eine eigene
Zelle mit Ausblick auf ein Juweliergeschäft zu haben. Im Laufe ihres Vortrages lud sie alle
Zuschauer zu ihrer Hochzeit ein. Geschenke bräuchte keiner mitzubringen, denn sie würde
während der Feier die Sachen klauen, die ihr am besten gefielen.
Einen Höhepunkt, wie üblich auf fast jeder Karnevalssitzung, bildete auch in diesem Jahr
wieder das Männerballett der katholischen Gemeinde. Im Watschelgang der Pinguine betraten
die verkleideten Herren die Bühne und hüpften und tanzten mit ihren Schwimmflossen an den
Füssen. Das war deshalb so lustig anzusehen, weil einige „Pinguine“ über ansehnliche
Bierbäuche verfügten, denen das Gehopse gar nicht gefiel und die deshalb ein Eigenleben zu
führen schienen, indem sie sich gegen den Takt oder zumindest, aufgrund der Schwerkraft,
deutlich verzögert bewegten.
„Nun schunkelt doch mal“
Wie sich bei der namentlichen Vorstellung der Pinguine herausstellte, gehörte einer der
Bierbäuche, wenn auch nicht der Größte, dem Kreisbeigeordneten und ehemaligen
Bürgermeister von Niederdorfelden Matthias Zach der wieder einmal, genauso wie sein
Nachfolger auf dem Rathaussessel, Klaus Büttner, kräftig mitfeierte.
Es folgten noch viele Akteure, wie Frank Umlauf als Bauer oder Gabi Janko und Wolfgang
Kraus, die als Bänkelsänger die dörfliche Politik aufs Korn nahmen, sowie der Dorfeller
Spaziergänger Kalli Markloff, der zeigte, dass Schadenfreude die schönste Freude ist. Am
Ende war festzuhalten, dass der Abend viel zu schnell vorbei war und es eines zweiten
Aufrufs des Sitzungspräsidenten „Nun schunkelt doch mal“ wie am Anfang des Abends am
Ende wegen der Bombenstimmung dann wirklich nicht mehr bedurft hätte.